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Yokohama: Weltfrauen & Noodle Cups


Unterwegs in Yokohama


🎶

Ich tausch 'n bisschen Mut gegen tolle Aussicht.

Und wie das geht? Digga, weiß ich auch nicht.

Wer's nicht versucht, ist irgendwann ganz traurig.

Komm trau, trau, trau, trau, trau, trau,

komm schon, trau dich.

🎶

(Fynn Kliemann: Alles, was ich hab)


Yokohama – die große kleine Schwester Tokyos

Beim Einsortieren dieses Artikels stellte sich mir die Frage, ob meine zwei Ausflüge nach Yokohama besser in der Kategorie "Tokyolife" oder unter "Japantravel" aufgehoben sind. Denn:

 

Einerseits liegt die Stadt Yokohama nur 30 Minuten vom Zentrum Tokyos entfernt und ist mit der ganz normalen S-Bahn Tokyos erreichbar. Und zur offiziellen Einwohnerzahl der "Metropolregion Tokyo" werden die Bewohner Yokohamas auch dazu gezählt. (Aber wenn es darum geht, die größte Stadt der Welt zu sein, schließt man schon mal Bündnisse mit den Städten der Umgebung.)

 

Andererseits (und am Ende ausschlaggebend für meine Einsortierung) ist Yokohama die 2. größte Stadt Japans und ich fände es nicht fair, eine Stadt mit fast 4 Millionen Einwohnern einfach Tokyo einzuverleiben. Man stelle sie vor, man würde Augsburg, das ebenfalls 30 Minuten mit dem Zug von München entfernt ist, einfach als Stadtteil Münchens werten. Da hätten sowohl die Augsburger als auch die Münchner massiv etwas dagegen einzuwenden.

Außerdem hat Yokohama seinen ganz eigenen Charme. Hier gehen die Uhren noch ein wenig langsamer. Auch wenn es irgendwie seltsam ist, bei einer Millionen-Stadt wie Yokohama von langsameren Uhren zu sprechen oder zu schreiben. Vielleicht liegt es an der Lage direkt am Meer oder am direkten Vergleich zu Tokyo, dass das Leben einem hier ruhiger vorkommt. Selbst Weltfrau Eva, die in Yokohama wohnt, bezeichnet Yokohama als "Dorf".


Wer sind die Weltfrauen?

Eigentlich dachte ich, ich hätte nach unserer Ankunft in Japan alle passenden Facebook-Gruppen, die einem das Leben in Tokyo erleichtern können, gefunden: 

  • sämtliche "Jobs in Tokyo"-Gruppen
  • internationale Gruppen für Expats oder Foreigner
  • deutschsprachige Gruppen wie "Deutsche in und um Tokyo"
  • praktische Themenseiten wie "Deutsche in Japan Biete – Suche"
  • die Digitale Nomaden Community
  • usw. 

Jede dieser Gruppen hat ihre eigene Zielgruppe und ihre eigene Dynamik.

Aber so wirklich kann ich mich mit keiner identifizieren. Und da alle offiziellen Veranstaltungen und Treffen wegen Corona eh auf Eis gelegt wurden, habe ich die Posts bisher nur als passives Mitglied mal mehr und mal weniger interessiert verfolgt.

 

Aber eine Gruppe war mir lange Zeit entgangen: die Weltfrauen.

Dort tummeln sich fast 9.000 Frauen, die außerhalb Deutschlands leben, gelebt haben oder leben wollen. Und über die Suchfunktion bin ich dann vor ca. 4 Wochen sogar in der "Weltfrauen Japan"-Gruppe gelandet.

 

Zugegeben, auch dieser Gruppe fühle ich mich nicht ganz zugehörig. Denn bei den Weltfrauen dreht sich vieles um Familie, Haustiere, Umzüge, Kinder, Schulen, Häuser oder Pflanzen. Und wie ihr wisst, sind das nicht ganz meine Interessen. Das Schöne an der Gruppe ist aber, dass es auch viel um Impulse und Emotionen geht: Wo sind die persönlichen Sehnsuchtsorte? Was vermisst man im Ausland oder in Deutschland? Wie möchte man leben? Das sind wiederum Themen, die mich ansprechen.

 

Und im Unterschied zu den anderen Gruppen hat diese einen entscheidenden Vorteil: Sie bot mir direkt die Chance, aus meiner Passivität herauszutreten, denn bereits eine Woche nach meinem Beitritt gab es die Gelegenheit, einige Frauen der Gruppe persönlich kennenzulernen: Es war ein gemeinsamer Museumsbesuch in Yokohama geplant. 

 

Also Schluss mit Passivität, auf nach Yokohama! Komm schon, trau dich!


Yokohama Art Museum mit den Weltfrauen

Da stand ich plötzlich im Kunstmuseum Yokohama, zusammen mit 6 anderen deutschen Frauen.

 

Die Ausstellung war jetzt nicht der Burner und ja, in den Gesprächen ging es auch mal um den Schulabschluss der Kinder, die Vor- und Nachteile der Deutschen und Internationalen Schulen im Ausland oder um Pflanzentipps. Aber ich konnte auch ganz viele Infos und Denkanstöße gewinnen.

Vor allem blieb mir die Unterhaltung mit Weltfrau Martina (oder war es Inge?) im Gedächtnis, aus der ich 2 wichtige Impulse für mich mitnehmen durfte. 

 

 

1. "Worauf willst du deine Energie verwenden?"

 

Beim Thema Japanisch-Lernen hatte ich bisher einen Denkfehler, der mir erst jetzt bewusst wurde: Für mich stand immer fest, dass ich die Sprache des Landes, in dem ich lebe, beherrschen möchte, und dafür gerne ein Jahr nebenbei in Deutschland und ein halbes Jahr Vollzeit in Japan mit Lernen verbringe. Denn ich war überzeugt davon, dass man die Sprache danach ganz von alleine lernen würde, sobald man erst vor Ort ist. Tja, da war er, der Denkfehler. Ich hatte nicht bedacht, dass man auch nach 6 Monaten Tokyolife noch nicht in der Lage sein wird, eine japanische Unterhaltung zu führen, irgendwas auf Japanisch lesen zu können oder mein Gegenüber versteht, was ich eigentlich ausdrücken möchte. Und das Ziel, vielleicht mal einen Job auf Japanisch auszuüben, ist völlig undenkbar geworden.
Ja, ich lerne gerne Sprachen, man lernt dabei Menschen kennen und die Fortschritte sind merklich, aber realistisch betrachtet, werde ich vielleicht nach den 2 Jahren in Japan so einigermaßen auf Japanisch zurechtkommen. Und was dann? Dann geht es zurück nach Deutschland und ich werde noch ein paar Jahre in japanischen Restaurants auf Japanisch bestellen und wenn ich Glück habe, noch ein paar japanische Bekanntschaften pflegen, und das wars dann mit meinen Japanisch-Skills. 

Das ist auch soweit o.k. und das Leben hier wird ja trotzdem leichter dadurch, aber man muss sich dessen bewusst sein. Und Martina (oder Inge?) hat es mir bewusst gemacht, indem sie gefragt hat: "Willst du jetzt 2 Jahre Energie fürs Sprachenlernen aufbringen, wenn du eh planst, danach nach Deutschland zurückzugehen? Überlege dir, was du aus deiner Zeit in Japan mitnehmen willst und wofür du deine Energie aufbringen möchtest."

Das werde ich mir zu Herzen nehmen.

 

 

2. "Freundschaften findet man nicht, sie entstehen."

 

Auch beim Thema Freunde-Finden hatte ich so meine eigene Theorie. Ich war der Meinung: Ich lerne hier eigentlich genug Menschen kennen, ich habe es nur noch nicht geschafft, richtige Freunde zu finden, da noch nicht die richtigen Leute dabei waren. Würde ich jemanden treffen, der genau in der gleichen Situation ist wie ich und ähnliche Job- und Freizeit-Interessen hat wie ich, wären wir direkt enge Freunde und ich muss mich gar nicht erst um Leute bemühen, mit denen ich keine gemeinsamen Interessen teile.

Aber Martinas (oder Inges?) Lebenserfahrung war: "Freunde findet man nicht, Freundschaften entstehen irgendwann. Die Aufgabe liegt darin, alle Gelegenheiten zu nutzen, um Menschen kennenzulernen und zu treffen. Dadurch ergeben sich neue Bekanntschaften und nur mit der Zeit entwickeln sich Freundschaften."

Was so einfach und logisch klingt, passte so gar nicht zu meiner bisherigen Strategie, Menschen vorschnell zu verurteilen und nach aussichtsreichen Freundschaften vorzufiltern. Und das dann auch noch als bequeme Ausrede zu nutzen, um die wenigen Einladungen, die man erhält, abzulehnen. Denn natürlich kostet es Anstrengung, Small Talk zu führen, auf Englisch zu reden, immer die gleichen Geschichten über sich zu erzählen.

Klar, die Corona-Ausrede hat man natürlich auch noch, schließlich soll man sich gar nicht mit anderen Menschen treffen, aber vielleicht habe ich es mir in den letzten Monaten trotzdem zu leicht gemacht. Komm schon, trau dich!

 

Mit diesen zwei Denkanstößen im Gepäck bin ich wieder nach Hause zurückgekehrt. Und um die neuen Vorsätze direkt in die Tat umzusetzen, haben Uli und ich ein paar Tage später direkt die Einladung von Weltfrau Eva angenommen, sie und ihre Familie in Yokohama zu besuchen.

Ach, wie schön war es mal wieder deutsche Gastfreundschaft und Offenheit (ja, im Unterschied zu den Japanern sind die Deutschen ein sehr offenes Volk) zu erleben und sich über das Leben in Japan auszutauschen, ohne ständig Angst zu haben, in ein japanisches Fettnäpfchen zu treten oder einem Japaner zu nahe zu treten. Überhaupt mal eine andere Wohnung in Japan von innen zu sehen, war ein Highlight, vor allem die Wohnung einer Expat-Familie und nicht nur ein kleines WG-Zimmer meiner Mitschüler, bei dem es einem fast unangenehm ist, in was für einer Wohnung man selber lebt.

      

Und Yokohama haben wir uns natürlich auch noch angesehen.


Yokohama-Sightseeing

Wie es sich für gute Touris gehört,

  • haben wir uns in der Queens Tower Mall über das riesige Gedicht von Friedrich Schiller an der Wand gewundert,
  • sind wir mit dem schnellsten Aufzug Japans auf den zweit-höchsten Wolkenkratzer Japans, den Yokohama Landmark Tower, hochgefahren,
  • haben wir von oben das in den 80ern erbaute Hafenviertel Minato Mirai 21 ("Hafen der Zukunft 21") bestaunt,
  • sind eine Rolltreppe mit Kurven gefahren,
  • haben am Spielautomaten Süßigkeiten gewonnen,
  • sind einen Kreisverkehr für Fußgänger entlang gegangen,
  • haben uns durch Chinatown gefuttert,
  • sind am Meer und den Red Brick Warehouses entlang spaziert, wo über Lautsprecher Meeresrauschen und Möwengeschrei abgespielt wurde,
  • und haben das Cup Noodles Museum besucht.

Never give up: The Noodle Cup Story

Das Cup Noodles Museum in Yokohama ist ein ganz wunderbares Beispiel für den Mix aus Kultur & Kommerz in Japan.

Ja, die Noodle Cup ist eine tolle Erfindung, ein internationaler Exportschlager und dadurch ein riesen wirtschaftlicher Erfolg und natürlich isst und liebt sie jeder in Japan – aber es ist und bleibt trotzdem eine Instant-Nudelsuppe.

 

Und was machen die Japaner daraus? Sie bauen ein riesiges 5-stöckiges Gebäude, das sich mit Herzblut ihrer geliebten Cup Noodle widmet. Dort wird die Erfolgsgeschichte der Instant-Nudeln als Rettung der Hungrigen inszeniert, ihre Erfindung auf eine Ebene mit den großen Errungenschaften der Menschheit gestellt, Momofuku Ando – der Erfinder der Cup Noodles – neben Albert Einstein und andere Größen der Weltgeschichte platziert und alles unter der Botschaft "Du kannst alles schaffen, gib niemals auf!" zelebriert. Komm schon, trau dich!


Ja, sicherlich hatte das Museum einen ordentlichen Sponsor im Hintergrund, aber es ist trotzdem bemerkenswert, wie aufwändig und imposant man etwas aufbereiten kann, um den Stolz und die Wertschätzung gegenüber einem Kulturgut auszudrücken. Kein Vergleich zu den Bier- oder Gewürzmuseen, die ich aus Deutschland kenne. Und auch die Museen rund um die klassischen Komponisten in Deutschland oder Österreich können sich hier noch eine Scheibe abschneiden. Vor allem in Hinblick auf interaktive Angebote.

 

Denn die Infos rund um die berühmten Cup Noodles sind nur in ein oder zwei Stockwerken zu betrachten. Die anderen Stockwerke sind gefüllt mit einem großen Kinder-Spielparadies aus Cup Noodle Requisiten, einem Welten-Basar, in dem man Nudelgerichte aus aller Welt probieren kann, und – dem Highlight des Museums – einem Ort, an dem man seine eigene Noodle Cup herstellen kann:

  1. zuerst wird die Cup bemalt,
  2. dann die Geschmackssorte ausgewählt,
  3. zusätzlich zu den Nudeln 4 Zutaten ausgesucht,
  4. beim Füllen und Verschweißen der Cup zugesehen
  5. und schließlich mit einer Luftpumpe die gebrandete Schutztasche aufgeblasen, die man den begeistert nach Hause trägt und dadurch noch ordentlich Werbung für das Museum macht.

Perfektes Marketing! Erst später fällt einem auf: Eigentlich erfährt man in dem Museum rein gar nichts über die Zubereitung und die Inhaltsstoffe der Cup Noodles. Aber man verlässt das Museum mit dem Gedanken: Ja, wir sollten eigentlich viel öfter Noodle Cups essen, es gibt ja viel mehr Sorten und Varianten, als wir dachten!


Der Geschmackstest unserer eigenen Mischungen hat ergeben: Wir sind die geborenen Noodle Cup Köche ähhh Zusammensteller, Daumen hoch! 


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Kommentare: 2
  • #1

    Maria (Sonntag, 23 August 2020 09:46)

    Bist du jetzt die 9001. Weltfrau? War auf alle Fälle eine bereichernde Begegnung für dich, Melli.
    Gehen eure Cups in Produktion? Dann wart ich noch ein Weilchen. � hab ich schon. �

  • #2

    Melli (Sonntag, 30 August 2020 08:30)

    @Maria: Die Cups sollten definitiv in Produktion gehen, als "Muli Cups Noodles, garantiert ohne Meeresfrüchte!"