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Tokyo Jissha: Die 10 Schreine von Tokyo


Same same, but different – Die zehn Schreine von Tokio


🎶

Ich schieb nichts mehr

auf meine Bucketlist.

Ich leg jetzt los,

bevor alles im Eimer ist.

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(Enno Bunger: Bucketlist)


Sie sind nicht die 10 einzigen Schreine Tokyos, nicht die 10 größten, nicht die 10 berühmtesten und wahrscheinlich auch nicht die 10 schönsten. 

Aber: Die Tōkyō-jissha [jap. 東京十社 = Tokyo + 10 + Schrein, d.h. die "Zehn Schreine von Tokio"] nehmen unter den unzähligen Shinto-Schreinen in Tokyo dennoch eine besondere Rolle ein.

 

Durch ihre ringförmige Anordnung um die 23 Bezirke der Stadt Tokyo mit dem Kaiserpalast als Zentrum dienen sie der Stadt und dem Kaiser als eine Art "geistiger Schutzwall". So wurden die Schreine 1868 (als Tokyo die neue Hauptstadt Japans wurde) offiziell zu den 10 Wächtern des Tennos ernannt, die für das Heil der Stadt und seiner Bewohner sorgen sollten.

Durch diese spezielle Rolle waren die 10 Schreine zu jeder Zeit beliebte Wallfahrtsorte der Japanerinnen und Japaner und sind es immer noch.

An jedem der 10 Schreine erhält der Pilger oder die Pilgerin ein kleines Ema mit dem Bild des jeweiligen Schreins auf der Vorderseite. Ein Ema (jap. 絵馬, dt. „Pferdebild“) ist ein einseitig bemaltes Holztäfelchen, das man an Shintō-Schreinen oder Tempeln kaufen kann und auf deren Rückseite Wünsche und Bitten an die Götter notiert werden. 

Die 10 Ema der Tokyo-Jissha kann man wiederum auf einem größeren Ema befestigen, sodass die komplette "Pilgerreise" dokumentiert wird.  

Wenn man gut plant und ein bisschen Glück hat, kann man alle Tokyo Jissha an einem einzigen Tag besuchen.

Unsere Pilgerreise dauerte ein ganzes Jahr. Aber immerhin haben wir unser Ziel erreicht, innerhalb unseres 1. Jahres in Japan alle 10 Schreine zu besuchen!

Im Folgenden stelle ich sie euch vor:


1. Shiba-Daijingū

Der Shiba-Daijingu [jap.芝大神宮 = Shiba + groß + Schrein] in Shiba, einem Ortsteil von Minato, ist eher unspektakulär und wird seinem Namen "groß" nicht wirklich gerecht. Nicht weit entfernt vom Tokyo Tower und Zojoji Temple, befindet sich der Schrein mitten in einem Geschäftsviertel. Vielleicht kommen gerade deshalb so viele Arbeiter*innen zu diesem Schrein, um für ihren geschäftlichen Erfolg zu beten.

 

Verglichen mit anderen Shinto-Schreinen ist das Holzdach mit den zusätzlichen Balken ungewöhnlich, weshalb dieses Dach auch auf dem Ema deutlich zu sehen ist.


2. Hikawa-Jinja

Der Hikawa-Schrein [jap. 氷川神社 = Eis + Fluss + Schrein] liegt nur 5 Minuten von unserer Wohnung entfernt – im Stadtviertel Akasaka im Bezirk Minato.

 

1730 erbaut, ist dem Schrein etwas gelungen, was nur wenige Gebäude in Japan vergönnt war: Er hat die Großen Erdbeben 1855 und 1923 sowie die Luftangriffe im 2. Weltkrieg unbeschadet überlebt, wodurch der Pavillon aus Zypressen-Holz und das Kupferblechdach als Zeitzeugnisse aus der Edo-Periode bis heute erhalten geblieben sind.

Das Gelände rund um den Schrein ist eher schattig und mit jeder Menge Bäume bepflanzt. 


3. Kameido-Tenjinja

Der Kameido-Tenjinja [jap. 亀戸天神社] im Bezirk Kōtō ist der östlichste der 10 Schutz-Schreine. Wegen der hängenden Glyzinien, die die Tempelanlage im Frühling in ein violettes Blumenmeer verwandeln (siehe Ema), und der vielen Pflaumenbäume trägt der Schrein den Spitznamen "Blumenschrein".

Neben den Blumenfreunden lockt der Schrein insbesondere ängstliche Schüler*innen und Studierende an. Da der Schrein dem Gott der Dichter und Gelehrten gewidmet ist, bittet man an diesem Ort um Hilfe bei den Prüfungen, um gute Noten oder um die Zulassung an den Spitzenuniversitäten (ein sehr wichtiges Thema für die jungen Japaner*innen).

Wenn gerade keine Blumen blühen und man auch keine guten Noten benötigt, begeistert einen an diesem Schrein vor allem der Skytree im Hintergrund und die leuchtend-rote Brücke über einem Teich, in dem es vor Koi-Karpfen und Schildkröten nur so wimmelt.  


4. Hie-Jinja

Der Hie-Schrein [jap. 日枝神社 = "Tag" + "Zweig" + "Schrein"] liegt genau an der Grenze zwischen den zwei Stadtteilen Akasaka und Chiyoda. Auf einer Anhöhe zwischen lauter Geschäfts- und Regierungsgebäuden gelegen, ist er von mehreren Seiten begehbar.

Er ist mein Lieblingsschrein in Toyko, denn

  1. ... er ist eine Ruhe-Oase mitten in der Großstadt.
  2. ... er hat neben den vielen Treppen auch eine Rolltreppe.
  3. ... er kann von allen Seiten betreten werden und jede dieser Seiten führt in ein "anderes" Tokyo. Gehe ich von der Seite Akasakas, dem wimmeligen Geschäftsviertel, hoch und auf der anderen Seite wieder runter, lande ich mitten drin im ruhigen, modernen Regierungsviertel Chiyodas.
  4. ... er verfügt über einen hübschen, leuchtenden Torii-Gang – einen Weg mit orangen "Toren", die den Übergang zum heiligen Bereich markieren.
  5. ... durch seine Lage auf der Anhöhe scheint hier die Sonne, auch wenn sie an anderen Stellen des Stadtviertels durch die Hochhäuser verdeckt wird.
  6. ... er ist ideal für einen "Spaziergang um den Block" gelegen und sorgt mit seinen vielen Treppen für ein extra Workout.

5. Hakusan-Jinja

Der Hakusan-Schrein [jap. 白山神社 = "weißer Berg" + "Schrein"] ist ein kleiner Schrein im Zentrum von Bunkyo, dem "Universitätsviertel" Tokyos, der sehr versteckt gelegen und nicht einfach zu finden ist.

Am Hakusan-Schrein betet man für zwei Dinge: Liebe und die Linderung von Zahnschmerzen. Wobei man bei Kikurihime, der Göttin der Ehe, auch um Lösungen für sämtliche Beziehungsprobleme mit Partnern, Freunden und Familienmitgliedern bitten kann.


Auf dem Gelände des Schreins befindet sich ein steinernes Denkmal für "Sun Yat-sen", den Gründervater der Republik China. Angeblich fand er 1910, als er am Hakusan-Schrein den Kometen Halley sah, den letzten Anstoß, den er brauchte, um die Revolution in China zu beginnen.


6. Ōji-Jinja

Der Oji-Schrein [jap. 王子神社 = "Prinz" + "Schrein"] ist der nördlichste Beschützerschrein und liegt im Stadtteil "Kita" (was übersetzt übrigens "Norden" bedeutet).

Er ist bekannt für seinen riesigen Ginkgo-Baum (auf dem Ema rechts abgebildet), dessen Alter auf ungefähr 600 Jahre geschätzt wird und vermutlich den Zeitpunkt des Baus des Schreins markiert. Im Gegensatz zum Oji-Schrein überlebte der Ginkgo-Baum die Bombardierung im Zweiten Weltkrieg weitestgehend unbeschadet.


7. Nezu-Jinja

Das Ema des Nezu-Schreins [jap. 根津神社], der sich im Norden des Stadtteils Bunkyo befindet, zeigt die weitläufigen Grünanlagen der Tempelanlage.  

Im Unterschied zu anderen Shinto-Schreinen ist der Nezu-Schrein sehr dekorativ mit kunstvollen, vergoldeten Schnitzereien verziert. Im Frühling verwandeln ca. 50 verschiedene Azaleenarten die Hügel und Pfade zwischen den Torii-Gängen und Tempelhallen in ein buntes Blumenmeer.

Da sie von den Luftangriffen des Zweiten Weltkrieges verschont wurden, sind die einzelnen Bauten des Schreins aus dem frühen 18. Jahrhundert fast vollständig erhalten geblieben und zählen zu den ältesten noch im original erhaltenen Konstruktionen Tokyos. 


8. Tomioka-Hachimangū

Der Tomioka-Hachiman-Schrein [jap. 富岡八幡宮] ist Tokyos größter "Hachiman-Schrein" – ein Schrein, der dem Gott des Kampfes und des Krieges gewidmet ist.


Die Geschichte des Tempels macht seinem Namen alle Ehre: Im Dezember 2017 wurde die Hauptpriesterin des Schreins erstochen, höchstwahrscheinlich von ihrem Bruder unter Mithilfe seiner Ehefrau. Der Bruder erstach später seine Frau, bevor er Selbstmord beging. Ein blutiges Samurai-Schwert und Messer wurden am Tatort gefunden.


Der Schrein gilt als Geburtsstätte des Kanjin-Sumo, dem Ursprung des heutigen Sumo-Ringens: Um sich der Reparaturkosten der Schreine und Tempel finanzieren zu können, kam man in der Edo-Periode auf die Idee, Sumo-Kampfvorführungen für zahlende Zuschauer zu veranstalten.


9. Kanda Myōjin

Der Kanda-Myojin-Schrein [jap. 神田明神] in Chiyoda – im Herzen Tokyos – durchlebte eine klassische japanische Vergangenheit: Er wurde bereits mehrfach durch Feuer und Erdbeben zerstört und immer neu aufgebaut. 1934 entschied man sich dazu, das Gebäude diesmal aus Beton zu errichten, wodurch er die Brandbombenangriffe auf Tokio während des Zweiten Weltkrieges überlebte.

Aufgrund seiner Nähe zum teuersten Wohngebiet Tokyos und dem Elektronik-Viertel Akihabara wird der Schrein häufig aufgesucht, um für Wohlstand und Erfolg zu beten. Außerdem ist er ein beliebter Ort für Veranstaltungen, wie z.B. eine elektrische Lichtershow, die beim Launch der PS5-Konsole von Sony auf dem Schreingelände installiert wurde. 


10. Shinagawa-Jinja

Der Shinagawa-Schrein [jap. 品川神社] ist mit seinem Aufenthaltsort in Shinagawa der südlichste Eckpfeiler der Tokyo Jissha. 

Wer genau hinsieht, erkennt, dass im oberen Bereich des Emas der Berg Fuji abgebildet ist.

Der Shinagawa-Schrein befindet sich auf einem fünfzehn Meter hohen Steinberg, der den Berg Fuji repräsentieren soll, "Fujizuka" genannt. Der Legende nach wird demjenigen, der einen Fujizuka besteigt, genauso viel Glück zuteil wie demjenigen, der den Original-Fuji-san besteigt.


Das waren sie: Die Tokyo Jissha.
Jeder Schrein für sich nicht sonderlich herausragend, aber trotzdem hat jeder eine einzigartige Historie und ungewöhnliche Merkmale.

In Form ihrer Ema-Abbilder beschützen die 10 Schreine nun unseren ganz persönlichen Japan-"Schrein". 


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Kommentare: 1
  • #1

    Maria (Samstag, 23 Januar 2021 21:50)

    So. Und jetzt?