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Momijigari in Sendai: Die Jagd nach den bunten Blättern


Sendai? Gyutan!


🎶
Alles an dir glänzt

Wie die Sonne im Meer

Wie verloren geglaubte Schätze 

Alles an dir, wenn du tanzt

Alles an dir, wenn du fliegst

Zeig mir deine Narben

In all deinen Farben

Alles an dir glänzt
🎶
(Philipp Poisel: Alles an dir glänzt)


Wenn man einer Japanerin oder einem Japaner erzählt, dass man in die Stadt Sendai an der Ostküste Japans (mit dem Shinkansen ca. 2 Stunden nördlich von Tokyo entfernt) fährt, dann erhält man als Antwort häufig: "Sendai? Ah, Gyutan!!"

Gyūtan (jap. 牛タン = Rind + Zunge [tan als Kurzform für engl. tongue]) ist die japanische Bezeichnung für die lokale Spezialität der Region Sendai: Rinderzunge.

 

Immer wenn die Kinder in der japanischen Grundschule die verschiedenen Regionen Japans kennenlernen, üben sie jede Provinz zusammen mit einem zentralen Begriff ein, der typisch für diese Region ist, ob kulturell, geschichtlich oder geografisch. Und bei Sendai ist das eben Gyutan.

 

Und da sich der japanischen Lehrplan wahrscheinlich seit vielen Jahrzehnten nicht verändert hat und das Wort "Rinderzunge" sicherlich zu den beliebteren Wörtern zählt, die man als Kind lernen muss, ist diese Assoziation mit Sendai tief in den Köpfen der Japanerinnen und Japaner verankert, sodass ihnen beim Wort Sendai weiterhin erstmal "Ah, Gyutan!" einfällt.

Zugegeben – die Rinderzunge (ob gebraten, gekocht oder zum Eintopf verarbeitet) zählt auch zu den interessanteren Dingen, die man in Sendai erleben kann. Zu unserer Entschuldigung (oder Sendais Entschuldigung): Wir sind mittlerweile sehr verwöhnt, was Sightseeing in Japan angeht. 

Dafür hat die Natur in und rund um Sendai einiges zu bieten, nicht ohne Grund trägt Sendai den Spitznamen "Stadt der Bäume".


Matsushima

Die Bucht Matsushima (jap. 松島, dt. „Kieferninseln“) mit ihren ca. 260 kiefernbedeckten Inseln zählt zu den "drei schönsten Küstenlandschaften Japans" – den "Nihon sankei" (jap. 日本三景) –, die seit dem 17. Jhdt. die japanische Kunst und Poesie prägen.

 

Nach unserem Ausflug zur heiligen Insel Miyajima mit dem berühmten Torii im Meer ist Matsushima bereits die zweite der drei berühmten Landschaften, die wir aus nächster Nähe bewundern durften.

Die vielen Inseln der Bucht betrachtet man am besten von einem der vielen Ausflugsboote aus oder von der kleinen Insel Fukurajima, die über eine 252 Meter lange rote Brücke mit dem Festland verbunden ist. (Insofern man bei der Inselgruppe Japan überhaupt von Festland sprechen bzw. schreiben kann.)


Fischmarkt in Shiogama

Der Küstenort Shiogama (jap. 塩竈市, dt. "Salzkessel") ist für etwas ganz Großartiges bekannt: Shiogama ist angeblich der Ort mit der höchsten Dichte an Sushi-Restaurants in ganz Japan. Kein Wunder – denn der Hafen Shiogama ist der größte Entladehafen für frischen Thunfisch und viele andere Fische und Meeresfrüchte Japans.

 

Statt eines der Sushi-Restaurants auszuprobieren, entschieden wir uns aber dazu, den Fisch direkt an der Quelle der Frischheit zu genießen – auf dem Fischmarkt Shiogama

 

Hier kann man von Stand zu Stand gehen (viele Verkäufer sind auf einen einzelnen Fisch oder eine andere Köstlichkeit spezialisiert) und nach Lust und Laune probieren oder sich ein paar Scheiben frisches Sashimi aufschneiden lassen. Zusammen mit einer Schale Reise, der obligatorischen Miso-Suppe und einem großen Gläschen des lokalen Sake verkostet man seine erworbene Auswahl dann direkt auf dem Markt. Vor allem die riesigen frisch geöffneten Austern schmeckten fantastisch. 


Yamadera

Der buddhistische Tempel Ryūshaku-ji, der im Volksmund einfach nur Yamadera (jap. 山寺, dt. „Bergtempel“) genannt wird, liegt mitten in einer malerischen Berglandschaft. Eine Treppe mit ca. 1.000 Stufen führt den Berg hinauf, entlang der verschiedenen Gebäude und Gedenkstätten der Tempelanlage.

An diesem geheimnisvollen Ort hat der japanische Dichter Matsuo Bashō im 17. Jh. sein berühmtes Zikaden-Haiku verfasst: 


閑さや
巖にしみ入る
蝉の声


shizukasa ya

iwa ni shimiiru

semi no koe

 

 (Frei von mir übersetzt:)

 Stille

In den Felsen verklingen

die Rufe der Zikaden 

Yamadera ist ein perfektes Beispiel für das grandiose Naturspiel Japans: Das Landschaftsbild des Bergtempels sieht in jeder der 4 Jahreszeiten auf eine andere Weise spektakulär aus – märchenhaft schneebedeckt im Winter, voller dichter Kirschblüten im Frühling, satt-grün leuchtend im Sommer, bunt-gefärbt in allen Orange- und Rottönen im Herbst.


Momijigari

Momijigari (jap. 紅葉狩り = „Rote Blätter“ + „Jagen“) bezeichnet den japanischen Brauch, als Spaziergänger Landschaften und Parks mit schöner herbstlicher Laubfärbung zu besuchen, und ist in Japan fast so beliebt wie das Kirschblüten-Betrachten – "Hanami" – im Frühjahr.

Vor allem die Blätter der Ahornbäume und -wälder (von denen es in Japan extrem viele gibt) nehmen einen besonders intensiven Rotton an.


In den nächsten 1 oder 2 Wochen wird der Höhepunkt der Herbströte auch die Stadt Tokyo erreichen, bevor sie weiter gen Süden zieht.


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Kommentare: 3
  • #1

    Lissi (Dienstag, 24 November 2020 16:42)

    Traumhaft schön!

  • #2

    Maria (Dienstag, 24 November 2020 19:43)

    Unglaublich! Besondere Eindrücke, die du uns hier zukommen lässt.

  • #3

    Peter R. (Dienstag, 24 November 2020 20:57)

    Landschaft großartig gerichtet und präsentiert, frischer Fisch der süchtig macht.