2 Wochen Kyushu: Reise durch den Süden Japans
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Wo Gedanken im Wind verwehen.
Und die Zeit scheinbar nie vergeht, vergeht, vergeht.
Geliebtes Hinterland.
Willkommen im Hinterland.
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(Casper: Hinterland)
Wissenswertes über Kyushu
Atemberaubende Landschaften, aktive Vulkane, natürliche Thermalquellen – die südlichste und drittgrößte der 4 Hauptinseln Japans (Hokkaido, Honshu, Kyushu, Shikoku) hat vor allem
landschaftlich einiges zu bieten.
Die Schönheit der Region kommt nicht von ungefähr. Die spektakuläre Berglandschaft und die unzähligen Onsen-Gebiete sind den vulkanischen Aktivitäten der Region zu
"verdanken", wenngleich von den aktiven Vulkanen jederzeit eine gewisse Gefahr ausgeht.
Auch wenn der Name Kyūshū [jap. 九州 = dt. „neun Provinzen“] etwas anderes vermuten lässt, umfasst Kyushu nur 7 offizielle Präfekturen: Fukuoka, Saga, Nagasaki, Oita, Kumamoto, Miyazaki
und Kagoshima.
Historische Bedeutung: Das Tor zum Westen
Nicht nur, dass die heutige japanische Zivilisation wohl auf Kyushu ihren Ursprung hatte – als westlichster Punkt Japans war Kyushu immer wieder zentraler Ausgangspunkt für den Austausch mit Europa, China, Korea oder Taiwan.
So fand im 16. Jahrhundert auf Kyushu der erste Kontakt Japans mit Europäern (portugiesischen Seeleuten) statt, der in eine Epoche des Handels und des kulturellen Austauschs mündete.
In einem zeitgenössischen Bericht aus dieser Zeit werden die Europäer von den Japanern übrigens so beschrieben:
„Sie aßen mit ihren Fingern anstatt mit Stäbchen, wie wir sie benutzen. Sie zeigen ihre Gefühle ohne jede Selbstkontrolle. Sie können die Bedeutung von Schriftzeichen nicht verstehen."
Währenddessen wird der Besuch des Samurai Hasekura Tsunenaga im Jahre 1615 in Frankreich von den Europäern folgendermaßen kommentiert:
„Sie berühren die Nahrung niemals mit ihren Fingern, sondern benutzen stattdessen zwei kleine Stäbchen, die sie mit drei Fingern halten. Sie putzen ihre Nase mit weichem, seidigen Papier von der Größe einer Hand, das sie niemals zweimal benutzten [...]. Ihre Schwerter schneiden so gut, daß sie weiches Papier schneiden können, wenn man es nur auf die Schneide legt und darauf bläst.“
An den japanischen Gepflogenheiten scheint sich über die Jahrhunderte hinweg nicht viel geändert zu haben: Die Taschentücher sind immer noch klein, die Messer immer noch scharf und die
Selbstkontrolle der Japanerinnen und Japaner immer noch bemerkenswert.
Mehr zur Epoche des Namban-Handels könnt ihr in diesem Wikipedia-Artikel nachlesen, daher stammen auch die Zitate.
Sehenswürdigkeiten & Highlights im Überblick
Mächtige Vulkane, traditionelles Handwerk, friedliche Strände – die touristischen Attraktionen auf Kyushu sind extrem facettenreich.
Best-Things-To-Do auf Kyushu:
- einen Blick in den Krater des Mount Aso – den aktivsten Vulkan Japans – werfen
- in den heißen, sprudelnden Thermalquellen in Beppu, Kurokawa oder Yufuin entspannen
- durch das Kuju Gebirge, den Kirishima Nationalpark oder einen der vielen anderen Nationalparks wandern
- die berühmte Tonkotsu-Ramen kosten
- von Kagoshima aus den immer rauchenden Vulkan Sakurajima bestaunen
- in die Energie und Geschäftigkeit Fukuokas eintauchen
- im Friedenspark Nagasaki der bewegenden Geschichte der Stadt gedenken
- durch die verlassene Geisterinsel "Gunkanjima" spazieren
- sich auf die Spuren der kulturellen Traditionen (Porzellan, Tee, Töpfereien, Sake, ...) in Saga begeben
- mit dem Kanu durch die Takachiho Schlucht in Miyazaki paddeln
- in den Stein- und Zengärten des Komyozen-ji Tempel bei Fukuoka lustwandeln
-
durch China Town und die ehemaligen holländischen Niederlassungen in Nagasaki schlendern
- im Saga Yoshinogari History Park einen Eindruck vom prähistorischen Japan bekommen
- im heißen Thermalwasser der Region Oita Onsen-Food zubereiten
- den Wassergarten Suizenji und die schwarze Burg in Kumamoto besuchen
- an den Sandstränden der Inseln Amami und Yoron relaxen
- durch den tiefgrünen Zedernwald von Yakushima (UNESCO-Weltnaturerbe) streifen
Essen auf Kyushu: Gerichte & Spezialitäten
So vielfältig wie die Kultur und Landschaft der einzelnen Regionen Kyushus ist auch ihre Kulinarik.
Während Orte wie Nagasaki und Fukuoka durch ihre Historie stark von internationalen Einflüssen geprägt sind (z.B. ist die Sojasauce auf
Kyushu süßer als im Rest Japans, da die Region früh Zugang zu Zucker erhalten hat), zeichnen sich die ländlicheren Regionen durch frische, lokale
Produkte aus. Nicht ohne Grund zählt der Export der landwirtschaftlichen Produkte von Kyushu in den Rest Japans zu den größten Einkommensquellen der Insel.
Eine kleine Auswahl an kulinarischen Highlights auf Kyushu:
- Hakata Tonkotsu Ramen (Nudelsuppe auf Schweineknochen-Basis)
- Motsu Nabe (Hot Pot mit Innereien)
- Dazaifu Mochi (gebratener Reiskuchen mit Bohnenfüllung)
- Nagasaki Champon (Nudelsuppe chinesischen Ursprungs)
- Sara Udon (frittierte Eiernudeln)
- Kibinago Sashimi (Blaue Sprotte)
- Torisashi (Hähnchen-Sashimi)
- Shochu (Süßkartoffel-Schnaps)
- Fugu (Kugelfisch)
- Mentaiko (Pollackrogen)
- Torisashi (Hähnchen-Sashimi)
- Castella (Honigkuchen)
- Kuri Okowa (Kastanien-Reis)
- Katsuo no Tataki (geflämmtes Fischfilet)
- Daigojiru (Gemüse- und Teigtaschen-Suppe auf Miso-Basis)
- Karashi Renkon (mit Senf gefüllte Lotuswurzel)
- Süßkartoffel-Käsekuchen
- Shabu Shabu vom schwarzen Schwein (Kuro-Buta)
- Shirokuma ("weißer Eisbär": geschabtes Eis mit Früchten)
Da es selbst bei einem längeren Urlaub zeitlich schwierig wird, alle Gerichte zu probieren, lohnt sich der Besuch in einem traditionellen Ryokan, wo man bei einem Dinner in Form von unzähligen kleinen Gerichten einen wunderbaren Einblick in die kulinarische Vielfalt und Raffinesse der jeweiligen Region erhält.
2 Wochen Kyushu: Reisebericht
Ein paar Fakten zu unserer Reise:
- Reisezeitraum: 1.–14. Mai 2021
- Reiseroute: Nagasaki (3 Nächte) – Unzen – Fukuoka (2 Nächte) – Itoshima – Jufu (2 Nächte) – Beppu – Aso (1 Nacht) – Kagoshima (2 Nächte) – Yakushima (3 Nächte) – Kagoshima
- Anreise: mit dem Flugzeug von Tokyo nach Nagasaki
- Rückreise: mit dem Flugzeug von Kagoshima nach Tokyo
- Zurückgelegte Kilometer mit dem Mietwagen: 953 km
- Kosten pro Person: 2.160€ (Flüge: 350€, Hotel: 740€, Verkehrsmittel inkl. Mietwagen, Fähren & Maut: 620€, Essen: 360€, Sonstiges: 90€)
Wegen der steigenden Corona-Fälle in Fukuoka kurz vor unserer Reise verkürzen wir unseren geplanten Aufenthalt in Fukuoka und verzichteten auf die Zugfahrt von Nagasaki nach Fukuoka.
Dadurch mussten wir uns zusätzlich zum vorab reservierten Mietwagen für die Fahrt von Nagasaki durchs Landesinnere nach Kagoshima noch vor Ort einen Mietwagen für die Fahrt von Nagasaki nach
Fukuoka besorgen – ebenso wie auf der Insel Yakushima, auf der man ohne Auto nur schwer von A nach B kommt. Diese drei Mietwägen mit Benzin und hohen Mautgebühren schlugen im Urlaubsbudget
ordentlich zu Buche. Dafür ermöglichten sie es uns, dass wir in der knappen Zeit so viel wie möglich von Kyushu sehen konnten.
Tag 1: Tokyo – Nagasaki
Nach etwas über 2 Stunden Flugzeit von Tokyo aus landen wir am Flughafen Nagasaki und begeben uns zu Fuß auf eine erste Stadterkundung: vorbei an der Megane Bridge (dt.: "Brillen-Brücke"), deren Bögen tatsächlich an eine Brille erinnern, durch kleine Gassen mit vereinzelter portugiesischer und niederländischer Architektur hindurch bis nach Chinatown, wo wir eine erste Spezialität Kyushus probieren: Kakuni Manju (Schweinbauch in gedämpftem Reismehlteig). Was uns optisch an eine Leberkässemmel erinnert, bestätigt geschmacklich unsere Hoffnung, dass uns Kyushu kulinarisch nochmal neue Seiten von Japan zeigt.
Tag 2: Nagasaki
Der heutige Tag startet am Friedenspark (jap. 平和公園, Heiwa-kōen) und wir gedenken der dunklen Geschichte Nagasakis: Am 9. August 1945 war Nagasaki im 2. Weltkrieg Ziel des zweiten Atombombenabwurfs. Obwohl die Bombe ihren geplanten Zielpunkt verfehlte, tötete sie ca. 40.000 Menschen und zerstörte die Hälfte der Stadt.
Als Mahnmal für den Frieden wurden auf der weitläufigen Parkanlage unweit des Hypozentrums diverse Statuen und Monumente errichtet.
Besonders beeindruckend sind die von verschiedenen Ländern oder Partnerstädten gestifteten Friedenssymbol-Skulpturen sowie die etwa zehn Meter hohe "Statue für den
Frieden" des Bildhauers Seibō Kitamura: Der rechte Arm der Statue weist in den Himmel zur Bedrohung durch Atomwaffen und der horizontal ausgerichtete linke Arm auf den Wunsch nach
Frieden für die Menschen. Die Augen der Figur sind in Gedenken an die Opfer der Atombombe geschlossen.
Am Nachmittag machen wir uns auf den Weg zum Berg Inasa. Zwar gibt es hier (wie überall in Japan eine Seilbahn) zum Gipfel, wir entscheiden uns aber für die 1-bis-2-stündige
Wanderung.
Oben angekommen, werden wir mit einem fantastischen Panorama-Blick auf Nagasaki, das Meer und die Inseln Japans belohnt.
Tag 3: Nagasaki
Nach den Fußmärschen der letzten 2 Tage ist heute Entspannung angesagt und wir kaufen uns in einer Bäckerei Kuchen in Karpfen-Form. In ein paar Tagen wird in Japan der Feiertag "Kodomo no Hi" (jap. こどもの日, dt. „Kindertag“) zelebriert. Zu diesem Anlass werden Windsäcke in Form von "Koi-Nobori" (jap. 鯉のぼり, dt. Karpfenfahne oder Karpfendrachen) aufgehängt oder eben als Kuchen gegessen.
Wir verbringen den Tag im Nagasaki Seaside Park in Meeresnähe und genießen Sonnenschein und Meeresduft und später den Sonnenuntergang an der Hafenpromenade mit Wein und Pasta – ein seltenes Vergnügen (das sicherlich dem europäischen Einfluss der Stadt zu verdanken ist), denn stimmungsvolle Restaurants im Freien findet man in Japan leider nur selten.
Tag 4: Nagasaki – Unzen – Fukuoka
Wir verlassen das Hotel und fahren mit dem Mietwagen gen Norden nach Fukuoka – jedoch nicht ohne einen kleinen Umweg ins über 2 Stunden von Nagasaki entfernt gelegene Berggebiet
Unzen zu nehmen.
Dort wandern wir auf dem Unzen Nita Pass entlang tausender Azaleen und wagen uns so nah wie möglich an den Krater des Vulkans Fugen-dake ran. Leider zeigt er heute aber kaum Aktivität.
Auf dem Rückweg machen wir einen Abstecher zu den Unzen Jigoku, den "Höllen von Unzen": ca. 30 kleine und große heiße Quellen, die mit mächtig viel Dampf und Schwefel aus dem Boden austreten. Angeblich wurden zur Zeit der ersten Christenverfolgungen in Japan Christen in diesen kochenden Quellen gefoltert. Eine schaurige Vorstellung.
Nach dem obligatorischen Onsen-Ei (in den Naturquellen gekochtes Ei mit leichtem Schwefelgeschmack) setzen wir unsere Fahrt nach Fukuoka fort.
Tag 5: Fukuoka
Wegen der steigenden COVID-19-Fälle in Fukuoka verbringen wir hier nur wenig Zeit und konzentrieren wir uns auf die Highlights:
- Wir besichtigen die Burg Fukuoka mit dem Maizuru Park,
- schlendern durch Canal City mit seinem das Unterhaltungsviertel Nakasu (zu Corona-Zeiten natürlich unspektakulär),
- genießen am Stadtstrand Momochi Beach mit Blick auf den Fukuoka Tower die Sonne und
- verspeisen die berühmte Hakata Ramen.
Der Flair der Stadt ist fantastisch und das, obwohl das meiste geschlossen hat. Wir versuchen uns vorzustellen, wie diese beliebte Studentenstadt und Japans Start-Up-Hochburg normalerweise vor Energie sprüht, und nehmen uns vor, nochmal nach Fukuoka zu reisen, sollte sich die Corona-Situation irgendwann bessern.
Tag 6: Fukuoka – Itoshima – Yufu
Wir fahren für ein paar Stunden Strand-Feeling auf die nahe gelegene Halbinsel Itoshima. Wir können leider nicht bis zum Sonnenuntergang bleiben, aber auch bei Sonnenschein bietet der Couple Stone eine tolle Foto-Kulisse.
Wir verlassen die Westküste und beginnen mit unserer Tour ins Hinterland – in die Präfektur Oita zu unserem gebuchten Ryokan nahe dem Städtchen Yufu.
Die Anfahrt durch die schmalen Bergpassagen ist beschwerlich. Doch bei unserer Ankunft werden wir belohnt mit Bergblick und plätschernden Bächen sowie einer Unterkunft mit herzlichen
Gastgebern, einem fantastischen Dinner und einem kleinen Outdoor-Privatonsen, das Uli und ich gemeinsam aufsuchen dürfen (normalerweise sind die Onsen in Japan nach Geschlechtern getrennt).
Tag 7: Yufu – Autowerkstatt – Yufu – Beppu – Yufu
Da es regnet, beschließen wir nach Beppu zu fahren – dem mit seinen 3.700 Thermalquellen berühmtesten Kurort Japans.
Leider endet unsere Autofahrt nach 10 Minuten, da uns die Bergstraßen einen platten Reifen eingebrockt haben.
Nach Telefonat mit der Mietwagen-Firma, Warten, Abschleppdienst und Autowerkstatt machen wir uns mit neuem Reifen und drei Stunden Verspätung endlich auf nach Beppu.
Dafür hat es aufgehört zu regnen und schon die Einfahrt in die Stadt bietet einen atemberaubenden Blick: überall dampft und raucht es wegen des vulkanischen Gases unter der Erde aus dem
Boden.
Wie bereits in Unzen ist die Hauptattraktion der Stadt: die Höllen ("Jigoku") von Beppu.
Jede der 8 Höllen erzählt ihre eigene Geschichte:
- Das Wasser des cobaltblauen Sees der Umi-Jigoku ist so heiß, dass man darin Eier kochen kann,
- der Anblick der Schlammblasen der blubbernden Schlammlöcher der Oniishibozu-Jigoku erinnert wohl an kahl rasierte Köpfe buddhistischer Mönche, da sie nach ihnen benannt wurden,
- die Chinoike-Jigoku ("Bluthölle") ist ein Teich mit rotem Wasser,
- während die Shiraike-Jigoku ("weiße Teichhölle") eine milchig weiße, leicht ins Bläuliche gehende Farbe hat,
- die Tatsukai-Jigoku ist ein Geysir, der etwa alle 45 Minutenn eine heiße Wasserfontäne emporschießt und
- bei der Oniyama-Jigoku ist die Quelle eigentlich nebensächlich. Das Highlight sind hier die Alligatoren, für die die Temperatur der Quelle angeblich die idealen Brutbedingungen schafft.
Um uns vom Autostress zu erholen, testen wir ein Sand-Onsen am Strand von Beppu.
Das Sandbad direkt über einer Quelle im Boden ist ziemlich heiß, der Sand ist schwer und eng ist es auch noch. Deshalb bin ich nicht traurig, dass der Spaß nach 15 Minuten wieder vorbei ist,
denn Entspannung stellt sich bei mir nicht ein.
Aber diese einzigartige Stimmung, eingebettet im heißen Sand zu liegen, während einem die kühle abendliche Prise um den Kopf weht, möchte ich dennoch nicht missen.
Tag 8: Yufu – Aso
Zum Abschied hat unsere Gastgeberin eine besondere Überraschung für uns:
Sie führt uns einen Hügel hinauf, hinein in einen kleinen Wald, nicht weit vom Dorf entfernt. Dort befinden sich 88 Steinfiguren.
Die Steinfiguren wurden vor vielen Jahrzehnten und vielleicht Jahrhunderten gefertigt. Da die Zahl 88 im japanischen Shingon-Glauben "alles Übel" symbolisiert, lässt die Anzahl der Figuren darauf
schließen, dass die Figuren zum Schutz der Dorfbewohner vor Gefahren und Unheil errichtet wurden. Glaubt man den Geschichten des Dorfes wurde es in seiner Vergangenheit vor einer Seuche
befallen, weshalb zu vermuten ist, dass die Figuren aus dieser Zeit stammen.
Doch über die Jahre geriet der Ort in Vergessenheit und mit ihm die Steinfiguren. Die Stätte verwilderte, die Figuren wurden von Moos und Gras bedeckt, die Natur des Waldes holte sich den Ort
zurück.
Als letztes Jahr in Form von Corona eine neue "Seuche" das Dorf heimsuchte, blieben die Gäste im Ryokan unserer Gastgeberin aus. Zum Nichtstun verdammt, begann sie durch die umherliegenden
Wälder zu streifen und entdeckte dort zufällig den verfallenen Ort und die Figuren, bedeckt von Erde und Gras. Zwar nicht alle komplett heil geblieben, konnte sie alle 88 Figuren finden
(eingeritzte Ziffern verrieten ihr die Anzahl).
Die nächsten Monate verbrachten sie und ihr Mann damit, die Figuren sorgfältig vom Moos zu befreien, sie zu putzen und wieder vorzeigbar herzurichten. Die beiden errichteten neue
Schreine und bauten mit den 88 Figuren eine neue Stätte auf, die das Dorf auch in diesem Jahrhundert vor Krankheit und Übel bewahren soll.
Nach einer herzlichen Verabschiedung begeben wir uns tiefer hinein in die Gebirgsgebiete Kyushus bis ins Tal "Aso" am Fuße des aktiven Vulkans Aso.
Wie im Ryokan üblich, werden die "Betten" erst abends aufgebaut und befinden sich bis dahin in den Wandschränken des Zimmers. In unserem spärlich eingerichteten Zimmer unterscheiden sich die Türen der Schränke optisch nicht von den Außentüren. Oder wo denkt ihr, ist auf diesem Bild die Türe nach draußen?
Lösung (von links nach rechts): Tür ins Badezimmer. Schrank, Tür nach draußen, Schrank, Schrank.
Tag 9: Aso – Kagoshima
Leider ist Japans aktivster Vulkan Aso während unseres Aufenthalts zu aktiv, um besichtigt zu werden. Die ausströmenden Gase sind zu gefährlich. Das ist keine Seltenheit und
daher keine große Überraschung, trotzdem schade, da wir extra wegen des Vulkans und seiner Kraterlandschaft ins "Hinterland" gereist waren.
Wir unternehmen stattdessen eine Wanderung im Nationalpark der Kuju Zwillingsberge, bevor wir uns wieder in die Bequemlichkeit der Stadt begeben: Kagoshima
(jap. 鹿児島市), die südlichste Großstadt Kyushus.
Je näher wir uns dem Hafen der Stadt nähern, desto besser wird der Blick auf das Highlight Kagoshimas: den immer rauchenden Vulkan Sakurajima.
Tag 10: Kagoshima
Erst im Jahr 1914 führte eine Eruption des Vulkans dazu, dass sich die Vulkaninsel Sakurajima (jap. 桜島, dt. „Kirschblüteninsel“) an einer Stelle mit dem Festland verband. Dennoch lässt sich die Vulkaninsel auch heute noch am besten mit der Fähre erreichen.
Mit dem Sightseeing-Bus umrunden wir die Insel. Aber je näher wir dem Vulkan kommen, desto weniger sehen wir von ihm. Auch der "Kraterblick" ist wenig spektakulär.
Dafür ist der Blick vom Rande der Insel umso schöner: auf der einen Seite der majestätische Vulkan, auf der anderen Seite das Meer (sogar mit Delfinen!) und die Füße im Freiluft-Onsen.
Tag 11: Kagoshima – Yakushima
Wir geben unser Gepäck am Hotel ab und nehmen nur unsere wichtigsten Sachen mit – auf unser Abenteuer Yakushima.
Die Insel Yakushima (jap. 屋久島) entstand vor rund 14 Millionen Jahren, als ein Granitfels durch vulkanische Aktivität an die Meeresoberfläche gelangte. Dieser Prozess ist heute übrigens immer noch
im Gange: Die Insel wächst alle 1.000 Jahre um rund einen Meter.
1993 wurde der dichte tiefgrüne Zedernwald (der 42% der Insel bedeckt) mit seinen ca. 1.900 Sicheltannen ("Yaku-Sugi") von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt. Als ältestes
Exemplar gilt der Zedernbaum "Jomon Sugi", dessen Alter je nach Messung auf etwas zwischen 2.170 bis 7.200 Jahre geschätzt wird.
Wir erreichen die Insel nach 2 Stunden Fahrt mit der Fähre von Kagoshima aus und werden mit dem begrüßt, was wir befürchtet haben: Regen. Der Wetterbericht hatte es angekündigt,
aber wir haben trotzdem etwas anderes erhofft. Aber Regen gehört zu diesem Insel-Abenteuer dazu. Denn eine japanische Redewendung besagt, dass es auf Yakushima 35 Tage im Monat regnet.
Tag 12: Yakushima
Der Wetterbericht kündigt den ganzen Tag Starkregen an.
Wir hoffen auf besseres Wetter am nächsten Tag, aber streichen die Wanderung zum Jomon Sugi aus unseren Plänen, da wir für die 10-stündige Wanderung nicht mehr genügend Zeit haben würden
und wegen des starken Regens einige Wege gesperrt sind, da die Flüsse zu hoch zum Überqueren sind.
Stattdessen starten mit einer Insel-Umrundung mit dem Auto. Der Regen ist aber zeitweise so stark, dass wir aufgrund fehlender Sicht Stopps einlegen müssen. Es ist extrem nebelig
und wolkenverhangen.
Wir erreichen den 20km langen Seibu Rindo Forest Path, vom dem 15 km durch den Nationalpark führen und der dafür bekannt ist, dass man dort Japanmakaken (Affen) und Wildtiere zu
Gesicht bekommt.
Eng schlängelt sich die Straße (meist einspurig) zwischen Meer und Felsen entlang. Es ist sehr dunstig, die Sicht schlecht und der Regen schießt wasserfallartig aus den Berghängen heraus und
überschwemmt die Straßen. Es ist beängstigend, aber mich beruhigt das Wissen, dass die Insel starken Regen gewohnt ist.
Nach über Dreiviertel des Weges ohne Tiersichtung sind wir etwas enttäuscht, doch dann kommt es Schlag auf Schlag: Insgesamt zählen wir 8 Affen und 5 Rehe, die wir auf oder neben
dem Weg entdecken können.
Ich bin unendlich froh am anderen Ende des Weges anzukommen, ohne dass uns wir oder das Auto auf der waghalsigen Fahrt durch herunterfallende Äste, weggeschwemmte Wurzeln oder
entgegenkommende Fahrzeuge Schaden genommen haben.
Der Seibu Rindo Forest Path endet am Okawa-Wasserfall (jap. 大川の滝), der durch den Regen übermäßig viel Wasser mit sich führt und dessen Uferbett aus allen Nähten platzt.
Wieder mal führt uns die Insel die Kraft der Natur vor Augen.
Nach dieser Extremerfahrung belohnen wir uns mit dem Bad in einem Natur-Onsen im Meer: ein absolutes Highlight unserer Kyushu-Reise!
Die Becken des Hirauchi Kaichu Onsen sind nur bei Ebbe zugänglich, da sie sonst vom Meereswasser bedeckt sind. Sie sind aber nicht nur mit Meereswasser gefüllt, sondern werden
von heißem Quellwasser aus der Erde gespeist.
Die Atmosphäre ist unbeschreiblich: Der Lärm vom Zerbersten der Wellen, der Blick auf die nebelverhangenen Berge, die schnell vorüberziehenden Wolken am Himmel (der ausnahmsweise eine kurze
Regenpause eingelegt hat), das heiße Quellwasser und die aufgeregte, quirlige Japanerin neben uns im Becken, die wie wir ganz überwältigt von diesem Ort ist.
Man könnte meinen, dass wir für heute genug "geonst" haben, aber als wir in der letzten Unterkunft unserer Reise eine tiefe Wanne zum Onsen auf der Terrasse vorfinden, möchte auch diese trotz oder wegen des stürmischen Wetters eingeweiht werden.
Viel Auswahl für ein Abendessen bietet die Insel nicht, aber wir haben Glück und finden ein kleines Lokal, in dem uns die Besitzerin mit Begeisterung die Spezialität der Insel serviert: Flying Fish.
Tag 13: Yakushima
Der Regen hat endlich nachgelassen und so besuchen wir an unserem letzten verbliebenen Tag die zwei berühmten Nationalparks der Insel.
Wir starten mit dem Yakusugi-Land – einem Naturpark, der nach den alten japanischen Zedern benannt ist, von denen hier sehr viele anzutreffen sind. Durch den Wald führen
zahlreiche unterschiedliche Wanderwege, jedoch sind heute nur wenige zur Begehung zugelassen, da noch immer einige Flüsse überschwemmt sind. Wir machen das Beste daraus und passieren auf dem
1-stündigen Rundweg verschiedene berühmte, knorrige Yakusugi-Bäume. Wir erfahren, dass viele der uralten Baumgiganten im Edo-Zeitalter für die Holzproduktion gefällt wurden, bevor das
Gebiet zum Nationalpark umgestaltet wurde.
Die besondere Beschaffenheit der Yakusugis führt nicht nur zu ihrem langen Leben, sondern auch dazu, dass selbst wenn sie verletzt oder gefällt wurden, sie nur langsam vermodern, wodurch auch Baumstümpfe weiterhin Zeugnis vom Alter und der Größe der früheren Baumgiganten geben und heute als Nährboden für neue Pflanzen dienen.
Danach geht es die schmale Serpentinenstraße entlang raus aus dem Nebel zurück zur Hauptstraße, bevor wir wieder in eine enge, nebelverhangene Bergstraße einbiegen – hinein ins Shiratani Unsuikyo Tal und den "Mononoke"-Wald: der dichte, moosbedeckte Urwald, dessen einzigartige Flora und Fauna als Inspiration für den Anime-Film „Mononoke Hime“ (Prinzessin Mononoke) diente.
Wer einen Eindruck von der Insel Yakushima und seiner unverfälschten Wildnis bekommen möchte, dem kann ich den Film nur wärmstens ans Herz legen. Er schafft es, den Märchen-Wald mit all
seinen Facetten wunderbar einzufangen.
Während man durch den Mononoke-Wald streift, dessen Erdboden, Felsen und Baumstämme dicht mit dunkelgrünem Moos bedeckt sind, beginnt man irgendwann selbst an Baumgeister und Waldgötter zu
glauben, vor allem wenn man darüber nachdenkt, was ein Baum mit einem Alter von 2.000 Jahren alles erlebt und gesehen haben muss.
Unsere Wanderung durch den Wald führt uns zum Gipfel des Taikoiwa Rock, von dem aus sich uns ein atemberaubender Anblick auf die Natur der Insel bietet. In nur wenigen Minuten nähert sich der Nebel aus dem Tal, nimmt wilde Formationen ein und erreicht uns schließlich. Wir spüren die feuchte, kalte Luft auf der Haut und er hüllt uns komplett ein, bevor er nach einigen Minuten weiterzieht und uns den Blick auf das Naturschauspiel der Insel Yakushima wieder freigibt. Mein absoluter Lieblingsmoment der Reise!
Tag 14: Yakushima – Kagoshima – Tokyo
An unserem letzten Tag der Reise regnet es wieder in Strömen, aber heute stört es uns nicht mehr. Wir nehmen die Fähre zurück zum "Festland" nach Kagoshima, holen unser Gepäck und begeben uns zum Flughafen, wo wir uns eine letzte Kyushu-Ramen genehmigen, bevor es zurück nach Tokyo geht.
Fazit: 2 Wochen Kyushu
Um alles Sehenswerte auf Kyushu sehen und erleben zu können, haben 2 Wochen nicht ganz ausgereicht. Ein paar Abstriche mussten wir machen. Vor allem die Fahrt in den Gebirgsregionen abseits der
großen Städte kostete uns Zeit und Nerven, auch wenn ich die Gastgeberin unseres Ryokans in Yufu und ihre Geschichten nicht hätte verpassen wollen.
So sehr ich den Flair der Städte Nagasaki und Fukuoka genossen habe, war mein absolutes Highlight der Reise die Insel Yakushima und der Mononoke Wald. Und das trotz oder
vielleicht sogar wegen des vielen Regens.
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Lissi (Samstag, 19 Juni 2021 17:27)
Toller Reisebericht. Wie immer eine Freude zu Lesen.
Volker Schmidt (Sonntag, 05 Juni 2022 23:43)
Absolut inspirierend; wir nehmen den Bericht als Basis für eine Reiseplanung im Herbst 2022.
Dennis (Freitag, 29 September 2023 16:12)
Danke für euren Reisebericht! :) Ich bin im November auf Kyushu. Eine Frage: seid ihr mit dem Auto auf der Fähe nach Yakushima oder habt ihr dort ein Auto gemietet?
Melli (Freitag, 29 September 2023 16:21)
Hi Dennis,
wir haben das Auto direkt auf Yakushima gemietet und auch wieder abgegeben. Ich wünsch dir eine tolle Zeit auf Kyushu!!
Viele Grüße
Melli
Dennis (Samstag, 30 September 2023 22:05)
Lieben Dank für die schnelle Antwort, Melli! :)
Dennis (Samstag, 30 September 2023 22:41)
...ach und eine Frage noch: habt ihr auch ansonsten alle Autos vor Ort gemietet oder vorab online? Ich danke im Voraus für die Antwort!
Melli (Mittwoch, 04 Oktober 2023 13:55)
Wir haben die Autos immer erst vor Ort gemietet, aber wir waren wegen der Corona-Zeit gefühlt die einzigen Touris in Japan. Da war immer was verfügbar.
Dennis (Mittwoch, 18 Oktober 2023 16:09)
Hello again! :) Ich plane gerade noch Details für November und frage mich, warum ihr nicht von Yakushima direkt nach Tokyo geflogen seid und erst wieder den Umweg per Fähre über Kagoshima wähltet? Gruß Dennis